Was heisst das konkret?
Es wird nicht, wie manche hoffen oder befürchten, demnächst Virtual-Reality-Brillen in allen Klassenzimmern geben oder ein Lernchip ins Gehirn implantiert. Aber es ergeben sich sukzessiv neue Dinge, die einzeln klein wirken, doch in der Summe die Lernsettings stark beeinflussen.
Was sind das für neue Dinge?
Im Bereich der didaktischen Funktionen zur Lernunterstützung prüfen wir viele Ideen, interaktive Tools, Pop-up-Informationen, Sprachunterstützung, Audio-Text-Verbindungen … Tutorials und Erklärvideos sind ohnehin schon länger im Einsatz. Auch eine digitale Assistenz, die Lernprozesse unterstützt, ist keine futuristische Träumerei mehr.
All dies macht die Lehrperson bekanntlich nicht überflüssig.
Es hiess doch schon vor vielen Jahren, die Lehrperson werde immer mehr zum Coach. Ich hielt das erst für ein leeres Schlagwort, aber heute verstehe ich, was damit gemeint sein könnte: Wenn digitale Hilfsmittel besser werden, lassen sich Standardprozesse automatisieren und Unterrichtsplanung sowie Organisation optimieren. Die Lehrpersonen erkennen aufgrund digitaler Übersicht und Analyse, wo individuell und gezielt Hilfe nötig ist. Diese Möglichkeit gibt es erst durch die technische Entwicklung. Darin liegt ja auch ein gewisses Paradox.
Was meinst du damit?
Wir wollen Lehrmittel und Tools entwickeln, die das Unterrichten einer heterogenen Schülerschaft unterstützen, also die praktische Lehrarbeit tendenziell vereinfachen sollen. Paradox ist, dass durch das Ziel der Komplexitätsreduktion im Unterricht die Lehrmittel selbst immer facettenreicher und komplexer werden müssen.
Was bedeutet das für die Lehrmittelentwicklung?
Es ergibt sich an allen Ecken und Enden Weiterentwicklungsbedarf. Auslöser sind immer die Bedürfnisse der Lehrpersonen, und diese erreichen uns über sehr unterschiedliche Kanäle. Um den Bedürfnissen entsprechen zu können, entwickeln wir Lösungen, wie jüngst das vereinfachte LMVZ-digital-Login für die Kleinen. Technische Lösungen bedingen häufig einen aufwendigen Prozess.
Und was hat das für Folgen?
Wir überlegen, wie wir künftig einzelne Lehrmittel nicht von Grund auf neu-, sondern nach Einführung sukzessive weiterentwickeln: nachbearbeiten, verbessern, ergänzen. Wie im Frühjahr mit den Erklärvideos für unser Lehrmittel «Mathematik 4 bis 6 Primarstufe». Lehrmittel könnten so mit vergleichsweise überschaubaren Investitionen in kürzeren Perioden modernisiert und umgebaut werden. Es ist am Ende nicht mehr dasselbe Lehrmittel, sondern ein durch einen Umwälzungsprozess ausgetauschtes. Vielleicht wird es ja irgendwann das ewig erneuerte Lehrmittel geben?