Sie haben in den 90er-Jahren Physik studiert und später darin promoviert. Was hat sich heute im Vergleich zu damals verändert?
Als ich Physik studiert habe, waren wir nur sechs Prozent Frauen. Jetzt sind es etwa fünfundzwanzig Prozent Frauen, die an Schweizer Hochschulen Physik studieren. In den Life Sciences studieren inzwischen sogar mehr Frauen als Männer. In Bezug auf den Frauenanteil hat sich also durchaus etwas getan, allerdings nur langsam. In der Informatik sowie im Maschinen- und Elektroingenieurwesen ist ihr Anteil immer noch sehr tief. Das wirkt auf junge Frauen häufig abschreckend, sie fragen sich: «Wie gehe ich damit um, wenn ich als eine von wenigen weiblichen Studentinnen viele angehende Maschinenbauingenieure um mich habe?»
Inwieweit ist unsere Gesellschaft immer noch gefordert, was die MINT-Förderung von Mädchen betrifft?
Ich glaube, es muss uns allen noch viel bewusster werden, dass MINT-Berufe und -Studiengänge auch für Frauen eine gute Wahl sind. Leider gilt es in unserer Gesellschaft aber noch immer nicht als cool, wenn man sich für etwas Naturwissenschaftlich-Technisches entscheidet. Wenn ein Mädchen sagt, sie möchte Mechatronikerin werden, heisst es oft: «Oh nein, mach doch lieber KV, dann hast du was davon.» Diese Ansicht ist bei Eltern, Lehrpersonen, bei uns allen noch tief verankert.
Ab welchem Alter werden an den Schulen MINT-Kompetenzen gefördert?
Der Lehrplan 21 gibt in der Deutschschweiz vor, dass Kindergartenkinder bereits ab vier Jahren mit altersangemessenen Phänomenen im Bereich MINT konfrontiert werden – oder vielmehr, dass sie sich damit beschäftigen dürfen, wie ich es formulieren würde. Die Kinder schon früh zu interessieren und zu motivieren, halte ich für ganz wichtig. Es hilft zum einen, die Neugierde wachzuhalten, und zum andern, den Gender-Gap gar nicht erst gross werden zu lassen. Mädchen sollen erkennen, dass diese Themen spannend sind und dass sie das genauso gut können wie Jungen.