Verfolgt und vertrieben

Lebensgeschichten, die wachrütteln

Digitale Lehrmittel

Diskriminierung aufgrund ethnischer, nationaler oder religiöser Zugehörigkeit erkennen – ist eines der Ziele des neuen Titels der Zoom-Reihe. Die Autoren Urs Urech und Christian Meier erläutern die Möglichkeiten des Lehrmittels.

Herkunft und Familie, Judentum, Ausgrenzung, Flucht und Verfolgung, Ankunft und Leben in der Schweiz – Urs Urech und Christian Mathis verdeutlichen diese Aspekte an Biografien von vier Flüchtlingskindern und bereiten damit das Thema Nationalsozialismus für Primarschulkinder stufengerecht auf. Eine weitere Biografie zeigt die aktuelle Dimension von Vertreibung, Fluchthilfe und Flüchtlingspolitik.

Der Holocaust liegt Generationen zurück, warum soll in der 5. Klasse oder Sek I das Thema behandelt werden?

Urech: 1939 begann der Zweite Weltkrieg – also vor bald 80 Jahren. Die Erinnerungskultur in den Medien beschäftigt auch Kinder und Jugendliche. Die Thematik wird garantiert wieder in den Fokus rücken. Hier sollten Lehrpersonen pädagogisch und didaktisch altersgerecht vorbereitet sein.

Mathis: Wenn Beleidigungen mit klarem Bezug zum Holocaust ausgesprochen oder Fragen gestellt werden, darf eine Primarlehrerin oder ein Primarlehrer nicht weghören.

Was hat Sie beide zum Recherchieren bewogen?

Mathis: Schon vor zwanzig Jahren stellte sich mir als Primarlehrer die Frage, wie und womit ich in der Klasse das Thema Massenmord an den europäischen Juden behandeln könnte.

Urech: Ich habe viele Jahre jüdische KZ-Überlebende bei Besuchen in Schulklassen der Oberstufe und Kantonsschule begleitet. Ihre Geschichten, wie sie mit ihren Familien oder unbegleitet als Kinder auf der Flucht waren, haben mich nicht mehr losgelassen.

Das Werk eignet sich für Deutsch oder Geschichte. Wie wird unterrichtet?

Urech: Es eignet sich als Lesewerkstatt für einzelne oder für die Arbeit mit der ganzen Klasse im Sachunterricht. Es hat bebilderte Lesekarten aus den Lebensgeschichten, es gibt Vergleichsaufgaben und für die Gruppenarbeit eignet sich der Zeitstrahl. Auf einem Forschertisch können Kontextmaterial und weitere Sachbücher aufgelegt werden. Auch eine Themen- oder Projektwoche wäre möglich.

Wie vermeiden Sie, die Kinder zu überfordern?

Mathis: Die Problematik stellt sich für jedes Unterrichtsthema. Die Haltung «wir können darüber sprechen und du darfst alles fragen», ist enorm wichtig.

Urech: Durch die Auswahl der Lebensgeschichten von jüdischen Kindern konnten wir die allzu schockierenden Elemente der antijüdischen Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten vermeiden. Obwohl alle vier Protagonisten Verlust und Trauer erlebten, gibt es auch viele positive und hoffnungsvolle Momente sowie einen Ausweg aus Verfolgung und Ungerechtigkeit.

Was bedeutet das Konzept «Lernen mit Biografien»?

Mathis: Die Lebensgeschichten von Personen nehmen eine doppelte Funktion ein: Einerseits sind sie Lerngegenstand und stehen exemplarisch für etwas Allgemeines; andererseits ist die individuelle Perspektive der Erzählenden von grosser Bedeutung. Lernende können die Lebensgeschichten verstehen und nacherzählen. In «Zoom – Verfolgt und vertrieben» erhalten die Verfolgten und Flüchtenden ein Gesicht, einen Namen.

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